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artenmenschen sind widersprüchliche Wesen.
Beim Waldspaziergang bewundern wir mit Moos bedeckte Baumrinden und Wurzeln, Felsen und Steine, die malerische Aura samtgrüner Teppiche. Farbspiele der Grüntöne bei Licht und Schatten des Mooses wirken äußerst sinnlich und faszinierend. Wenn das samtige Polster Gartenmauer, Steinquader, Trog oder eine Skulptur ummantelt, sprechen wir von „Patina“. Wie romantisch. Im eigenen Garten dagegen rücken wir den grünen Gewächsen mit Chemie, Hochdruckreiniger, Feuer und Ritzehaken zu Leibe, vernichten sie im sakrosankten Rasen und schrubben sie aus sämtlichen Fugen des Plattenweges. Es gibt gute Gründe, Moos im Garten nicht nur zu dulden, sondern anzusiedeln. Moose sind schon ästhetisch eine Bereicherung. Größere Partien dieses winzigen Schattengewächses vermitteln eine beruhigende, geradezu meditative Atmosphäre. Zu bewundern vor allem in Japan, dem Land der Moosgärten. Dort ist das flauschige fossile Pflänzchen seit vielen Jahrhunderten traditionell ein kostbares und aufwendig gepflegtes Gestaltungsmittel, Moosgärten gelten als höchste Stufe der Gartenkultur.
Moos gilt als wichtiger Teil des Ökosystems
Als unterste Bodenschicht spielen Moose neben Pilzen, Sauerklee und Haselwurz eine wichtige Bedeutung im Ökosystem. Moose sind natürliche vorkommende Zeigerpflanzen und Bioindikatoren, die Schadstoffe in der Umwelt und im Ökosystem anzeigen können. Als Beispiele seien genannt die Übersäuerung von Böden und Gewässern, der Schwefel-Gehalt in der Luft und insbesondere Schwermetalle. Noch wichtiger ist, dass Moose sehr gut Schadstoffe aus der Luft oder durch Niederschläge mit ihrer relativ großen Oberfläche (bezogen auf ihre Masse und Größe) aufnehmen können. Moospflanzen ernähren sich von Wasser, Kohlenstoffdioxid und Mineralsalzen. Die Aufnahme von Wasser und Kohlenstoffdioxid erfolgt durch die gesamte Oberfläche der Moosblättchen. Innerhalb des Ökosystems Wald kommt ihnen die Bedeutung als Wasserspeicher und -filter zu. Sie bremsen den Oberflächenabfluss und binden Schadstoffe. Moose sind darüber hinaus der Lebensraum vieler Kleinstlebewesen. Wegen seiner desinfizierenden (antiseptischen) Heilwirkung wird Torf-Moos in der Medizin und Naturheilkunde für Torfbäder und Torfpackungen genutzt. Viele Moose können außerdem Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze reduzieren oder deaktivieren.
Vielseitiger kleiner Zauber
In Zeiten von Klimawandel, Waldbaden und neuer Naturliebe rückt die Miniatur-Schönheit auch in der westlichen Welt wieder mehr ins Bewusstsein. Die Bärte aus Moos rücken auch wieder als unscheinbare urzeitlichen Moose „die erste Segnung der Erde“ genannt hatte. Die winzigen Sporenpflanzen hatten sich vor etwa 400 bis 450 Millionen Jahren aus Grünalgen entwickelt. Aktuell sprechen Wissenschaftler von rund 16.000 bekannten Arten, die sich in drei Hauptgruppen unterteilen, Horn-, Laub- und Lebermoose. Nach der aktuellen Bundesartenschutzverordnung stehen etliche Moosgattungen unter Naturschutz. Deswegen am besten mit Bestimmungsbuch und Lupe auf die Moos-Pirsch gehen.
Saurer Boden ist gut, Mutterboden und Dünger sind schlecht, lauten die Erfahrungswerte. Und wenn es im Sommer zu heiß wird, erfrischt sie die Moose per Gießkanne mit einer sanften Dusche Regenwasser (bloß kein kalkhaltiges Wasser, das bringt den Exitus). Weitere Pflege brauche es nicht, nur aufliegendes Laub solle entfernt werden. Das Plädoyer für die graziösen grünen Winzlinge lautet: Moose sind einfach in ihrer Art, werden kaum wahrgenommen, doch sie sind von unglaublichem Zauber, in Formenvielfalt und Charakter sehr unterschiedlich. Ausladende sattgrüne Polster und mikrokleine Hügelchen verbreiten in ihrem Garten eine verwunschene Stimmung, schmiegen sich in einen Boden aus feingehäckselter Pinienrinde.
Moos im Lebensraum Garten
Zahlreiche Funktionen machen es nicht nur aus ästhetischen Gründen sinnvoll, selbst im kleinen Garten Moos anzusiedeln. Aus ökologischer Sicht übernehmen Moose eine Vielzahl von Funktionen im Lebensraum Garten. Sie können nach dem Regen große Mengen an Wasser speichern, zurückhalten und für ihre Umwelt wieder verfügbar machen. Zudem sind Moose in der Lage, die negativen Auswirkungen extremer Wetterlagen abzumildern. Moose dienen als Baumaterial für Hummeln, Vögel und kleine Säugetiere wie Igel. Überdies sind die Pflanzen resistent gegen Bakterien und Pilzbefall.
Kleinstlebewesen fühlen sich wohl
Und noch einen Vorzug gibt es, Moose werden von zahlreichen Kleinstlebewesen besiedelt, die weit am Anfang der Nahrungskette eine wichtige Grundlage für unsere Ökosysteme darstellen. In der Moosschicht tummeln sich Ameisen, Aaskäfer, Fliegenmaden, Asseln, Hundertfüßer, Tausendfüßer, Springschwänze und viele andere Kleinstlebewesen, die zum Teil mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind.
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