
„Was Betty BBQ über Freiburgs Kopfsteinpflaster, ihr politisches Engagement und Heidi Klums Queen of Drags zu sagen hat, findet ihr hier!“
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ir haben die Ehre! Seit Fasnet dürfen wir mit dem wohl bekanntesten Schwarzwaldmädel aus Freiburg zusammenarbeiten: Betty BBQ.
Für online2local hat sie ein exklusives Interview gegeben – und wir haben gefragt, was euch interessiert!
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„o2l-Team: Wie lange brauchst du, um dich fertig zu machen und zu schminken?“
Betty BBQ: Natürlich wird man über die Jahre immer schneller, aber ich nehme mir grundsätzlich immer zwei gemütliche Stunden. Das ist bei den meisten Drag-Queens, die ich kenne, der Standard. Es muss ja auch immer noch ein bisschen Zeit für einen Café sein oder um die Augenbraue zu korrigieren. 😉
„o2l-Team: Wer hat dir das Schminken beigebracht?“
Betty BBQ: Das musste ich mir selbst beibringen. Bis heute muss ich auch gestehen: Ich mag es überhaupt nicht! Fertig gerichtet zu sein find’ ich toll, aber zum schönen Schminken gehört Disziplin. Ich bin über die Jahre immer besser geworden und es gehört eben dazu, aber es ist trotz allem immer etwas nervig – besonders wenn ich dadurch noch deutlich früher aufstehen muss… 😉
„o2l-Team: Wie viele Autogramme hast du in deinem Leben schon gegeben? Und wie viele Fotos hast du mit Fans gemacht?“
Betty BBQ: So viele, dass es absolut nicht mehr einzuschätzen ist! Da habe ich keinen Überblick mehr. Tatsächlich sind es unglaublich viele. Aber ich freue mich natürlich immer wieder darüber, wenn die Leute ein Foto oder Autogramm möchten, und im Normalfall versuche ich auch immer, mir diese Zeit zu nehmen. Bei größeren Events habe ich in der Regel auch Autogrammkarten dabei. Bei meinen Stadtführungen ist es meistens etwas schwierig, Fotos zu machen und Autogramme zu geben, weil ich natürlich für meine Gäste da sein will und meine Aufmerksamkeit in dieser Zeit ihnen gelten soll.
„o2l-Team: Was bedeutet für dich selbst die Figur Betty BBQ? Wofür steht Betty BBQ?“
Betty BBQ: Betty BBQ ist eine Möglichkeit, die Heimat zurück zu erobern, die mir als kleiner schwuler Junge aus dem Dorf genommen wurde. Das war mir lange selbst nicht bewusst, aber mittlerweile hat sich das einfach herauskristallisiert. Es ist eine Art, mir den Frieden zurückzuholen. Betty BBQ steht für den Leitspruch: „Heimat ist nicht nur schwarz oder weiß“. Sie steht für eine bunte, vielfältige Heimat, die niemanden verleugnet und offen ist für Neues. Trotzdem soll Tradition bewahrt werden. Allerdings mit einem offenen Blick nach vorne. Nur so kann alles und können alle gemeinsam bestehen, unabhängig von Hautfarbe, Sexualität oder Herkunft.
„o2l-Team: Welche Rolle hat Betty BBQ für die SchwuLes Szene? Wann war für dich klar, dass du für Gleichberechtigung und einen bunten Schwarzwald einstehen möchtest?“
Betty BBQ: Ich habe eine etwas andere Geschichte als die, die bei meinen Drag-Kolleginnen so üblich ist. Ich bin nicht direkt aus der Regenbogen-Community heraus entstanden, sondern durch die Fasnet, und dann bin ich wunderbarerweise auch recht schnell berühmt geworden. Erst als ich schon relativ bekannt war, wurde mir klar, dass man als Mann im Kleid auch auf gewisse Weise immer politisch ist und eine soziale Verantwortung besitzt. Ich habe ab diesem Zeitpunkt auch angefangen, mich zu engagieren, beispielsweise auf allen Christopher-Street-Days in Baden-Württemberg oder bei der AIDS-Hilfe. Ich kann auf einige Erlebnisse zurückblicken, in denen Betty BBQ regelrecht als Mutterfigur und Kummerkasten fungiert hat. Öffentlichkeitsarbeit und ehrenamtliches Engagement sind in meiner Position sehr wichtig.
„o2l-Team: Wie schaffst du es, mit deinen High Heels auf Freiburgs Kopfsteinpflaster zu bestehen? Hast du Tipps für die Damenwelt?“
Betty BBQ (lacht): Also konkrete Tipps gibt’s da nicht. Bei den Stadtführungen bin ich ja zugegebenermaßen auch etwas am Schummeln und trage flachere Schuhe. Natürlich bin ich aber auch schon mit Pfennigabsätzen über den Münsterplatz gelaufen. Das eigentliche Problem bei der Angelegenheit ist ja nicht, dass man nicht über das Kopfsteinpflaster laufen könnte, sondern dass man sich die Schuhe kaputt macht, wenn man stecken bleibt. Einen Tipp habe ich vielleicht doch: Zum Club oder Restaurant mit den Sneakers laufen und die Pumps oder High Heels dann vor der Lokalität wechseln – verratet das aber bloß niemandem! 😉
„o2l-Team: Wie alt ist Betty BBQ?“
Betty BBQ: Betty ist ewige 28 – auch wenn der Charakter eigentlich schon immer etwas älter angelegt war. Ich sage immer: Solange sie die Persönlichkeit hinter Betty BBQ noch nicht eingeholt hat, ist alles gut.
„o2l-Team: Wie lange gibt es die Figur Betty BBQ schon und wie ist das typische Outfit entstanden?“
Betty BBQ: Die Figur gibt es schon seit über zehn Jahren, allerdings wechselten die Outfits ursprünglich noch, es gab noch keinen konkreten Namen und sie trat nur zur Fasnet auf. Vor circa neun Jahren begann Betty BBQ dann, immer häufiger auch unterm Jahr Präsenz zu zeigen – allerdings noch immer in wechselnden Outfits. Ich habe vieles ausprobiert. Irgendwann wurde ich dann auf das Oktoberfest der Ganter-Brauerei eingeladen und bin als Schwarzwaldmädel hingegangen. Das hat wie eine Bombe eingeschlagen und ab diesem Zeitpunkt wollten alle Betty BBQ nur noch als Schwarzwaldmädel sehen! Damals war das sogar fast ein bisschen schade, weil ich mich gerne noch weiter ausprobiert hätte, aber ich bin in die Rolle reingewachsen und konnte mich damit anfreunden. Jetzt gibt es für mich nur noch die Schwarzwald-Betty. Ich musste mich regelrecht „hineinemanzipieren“ – aber ich sage immer gern, dass es wie eine gute Ehe ist: Am Anfang schwierig, aber dann hält’s ewig! 😉 Mein persönlicher Charakter ist mit der Rolle absolut verwachsen. Betty ohne Schwarzwald ist nicht mehr vorstellbar!
„o2l-Team: Wie kam es denn zum Namenszusatz “BBQ”?“
Betty BBQ: Naja, auf meinen Stadtführungen sage ich immer, dass ich eigentlich Bettina Grill aus dem Obertal bin, aber mein Management mir sagte, so könne ja keiner Karriere machen. Der Name müsse internationaler sein. Deshalb heiße ich Betty BBQ. Aber die wahre Geschichte dahinter ist, dass ich auf einer Hochzeit mit Freunden zusammensaß und wir auf das Barbecue-Buffet gewartet haben. Aus einer Laune heraus ist dann im Gespräch der Name „Betty BBQ“ gefallen. Viele Jahre später war es dann selbstverständlich für mich, auf den Namen zurückzugreifen.
„o2l-Team: Gab es vor Betty noch andere Kunstfiguren?“
Betty BBQ: An Fasnet war ich früher jedes Jahr etwas anderes – mal 20er-Jahre-Girl, mal Venus, sogar einmal das Fräulein Rottenmeier aus Heidi! Damals gab es allerdings noch keine Namen oder eine feststehende Charaktere. Ich habe mich einfach ausprobiert. Auch wenn Betty BBQ eine Kunstfigur ist, steckt natürlich ein Charakter dahinter, der eine Entwicklung durchlaufen hat. So entwickelt sich auch Betty BBQ immer weiter.
„o2l-Team: Möchtest du dich gerne weiterhin politisch engagieren?“
Betty BBQ: Auf jeden Fall! Wie gesagt: Als Mann im Kleid bist du irgendwie immer direkt politisch – das kannst du gar nicht ablegen. Ganz abgesehen davon sehe ich es aber auch als meine Pflicht an, mich als Bürgerin dieser Region für eine offene, bunte Heimat, für Gleichberechtigung und Akzeptanz zu engagieren. Ich werde nicht aufhören, mich zu engagieren und auch sicherlich nicht immer Everybody’s Darling sein. Es gehört nun mal dazu, ab und an den Finger in die Wunde zu legen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
„o2l-Team: Wo und wann kann man Betty sehen?“
Betty BBQ: Am häufigsten natürlich bei meinen Stadtführungen! Sonst selbstverständlich an der Fasnet. Dieses Jahr bin ich auch als Jubiläumsbotschafterin für 900 Jahre Freiburg auf über 300 Events überall in der Region zu sehen. Zusätzlich nehme ich an allen Christopher-Street-Days in Baden-Württemberg teil – die finden in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart statt – sowie dem europaweit größten in Köln.
„o2l-Team: Was hälst du von Vergleichen mit Olivia Jones?“
Betty BBQ: Natürlich ist es immer ein unglaubliches Kompliment und eine große Ehre, wenn man mich mit der erfolgreichsten Dragqueen in Deutschland vergleichen möchte. Betty BBQ ist im Vergleich zu Olivia jedoch ganz schön spießig! Obwohl natürlich beides Männer im Kleid sind, ist es etwas ganz anderes, weil die Charaktere so unterschiedlich angelegt sind. Wir kennen uns auch persönlich, sind gute Bekannte und ich durfte Olivia bereits ein paar Mal besuchen – auch in der Olivia Jones Bar! Viele ihrer Kolleginnen sind auch meine Freundinnen. Generell sind die Olivia-Jones-Family und die Betty-BBQ-Family gut befreundet.
„o2l-Team: Wo gehst du am liebsten privat feiern? Trifft man dich zum Beispiel in der Sonderbar in Freiburg auch privat?“
Betty BBQ: Tatsächlich ist das Feiern etwas, das komplett auf Betty BBQ ausgelagert wurde. Privat ist eher Ruhigeres angesagt, etwa ein Kinobesuch oder gemütlich Essen zu gehen – höchstens mal eine Weinschorle auf dem Weinfest. In Szenen der Stadtführungen wie beispielsweise der Sonderbar trifft man mich eigentlich nicht privat.
„o2l-Team: Was hälst du von den kürzlich ausgestrahlten Format “Queen of Drags”? Ist das gut für die Szene oder eher nicht?“
Betty BBQ: Natürlich ist es schön, dass die Kunst des Drags im Mainstream-Fernsehen einen Platz gefunden hat und auch mit einigen Vorurteilen aufgeräumt wurde. Dennoch kamen mir persönlich die Kolleginnen viel zu kurz und auch die Jurorin Heidi Klum hat mit Drag einfach nichts am Hut, was man der Serie anmerken konnte. Gut fand ich zu sehen, wie die Kunstform Drag öffentlich ausgelebt wurde. Aber es ist schwierig, die unterschiedlichen Facetten des Drag zu bewerten, da sie so vielfältig sind.
Hier gibt es keine Topmodel-Bewertungskriterien. Es wurde angekündigt, dass die Show-Acts in der nächsten Staffel ernster genommen werden und mehr Raum in der Serie erhalten sollen. Ich bin sehr gespannt, wie die zweite Staffel verläuft.
„o2l-Team: Würdest du selbst an einem solchen Reality-TV-Format teilnehmen?“
Betty BBQ: Nein. Queen of Drags käme für mich nur dann in Frage, wenn beispielsweise Olivia Jones mich persönlich fragen und bitten würde, daran teilzunehmen. Das würde ich als eine Art Freundschaftsdienst betrachten, weil ich sie sehr schätze. Grundsätzlich denke ich aber nicht, dass ich mir einen Gefallen damit tun würde. Betty gehört außerdem auch nicht in Großstädte und auf deren Bühnen, sondern in ihren geliebten Schwarzwald. Dort bleibe ich auch.
„o2l-Team: Wofür würdest du dich entscheiden, wenn du müsstest: Buben oder Schorle? 😉“
Betty BBQ: Das ist schwer. Beides geht nur zusammen. Wenn ich wirklich müsste, würde ich lieber auf beides verzichten, denn das macht beides ja nur in Kombination Spaß. Entweder beides behalten, oder auf beides verzichten! Als Privatperson kann ich sagen: Ich trinke überhaupt keinen Alkohol mehr. Abgesehen von dem Gläschen Sekt zum Anstoßen auf einer Geburtstagsfeier ist da nichts mehr. Von Fans gibt’s oft ein Fläschle geschenkt, aber die sammeln sich dann in der Garderobe und schlussendlich freuen sich meine Mitarbeiter.
„o2l-Team: Akzeptiert deine Familie dich als queere Person und Dragqueen?“
Betty BBQ: Absolut. Meine Familie steht voll hinter dem, was ich tue. Witzigerweise hatte meine Mutter anfangs Schwierigkeiten, aber nicht wegen des Drags oder der Frauenkleider, sondern sie hat lange nicht verstanden, dass das jetzt mein Job ist. Sie hat immer wieder Fragen gestellt wie: „Willst du jetzt nicht mal wieder arbeiten gehen?“ Aber jetzt gibt es Mitarbeiter und das Unternehmen wächst stetig, sodass auch meine Mama verstanden hat, dass das tatsächlich „Arbeit“ ist. Generell steht meine Familie also absolut hinter mir und das ist auch sehr wichtig. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist das nicht immer einfach. Da braucht man Rückhalt. Wichtig ist auch der Kontakt zu anderen Kolleginnen wie Olivia Jones und die gegenseitige Wertschätzung. Die berühmte Stutenbissigkeit ist bei den Dragqueens, die das tatsächlich beruflich machen, eigentlich nicht vorhanden. Deutschland ist groß und es wird voneinander profitiert. Es gibt genug Platz für alle Dragqueens. Man kann ja voneinander lernen, allein schon über Tipps und Tricks.
„o2l-Team: Gibt es etwas, das du anderen Menschen mitgeben würdest, die ebenfalls Drag zu Ihrem Beruf machen möchten und möglicherweise mit denselben Herausforderungen zu kämpfen haben wie du früher?“
Betty BBQ: Oh ja, das gibt es! Ich sage immer: „Hab’ dein Leben im Griff.“ Mit Drag gewisse Defizite auszugleichen oder mangelndes Selbstbewusstsein zu kompensieren, ist der falsche Weg. Da wird man enttäuscht werden und früher oder später scheitern. Von diesen Kandidatinnen gab es schon einige. Sie kommen und gehen. Wenn man Spaß an einer Rolle, am Verkleiden und Ausprobieren hat, ist es gut und die beste Grundlage. Es ist immer auch ein Stück weit Hobby und Beruf(ung) – egal wann und wie man damit anfängt. Bei meinen Stadtführungen gibt es auch noch Platz für fähige Kolleginnen – ich bin schon lange auf der Suche nach Unterstützung und freue mich sehr auf Bewerbungen!
„Freiburg ist weit mehr als nur die Kaiser-Josef-Straße und das Münster!”
Weitere Informationen
Wie Ihr das Betty BBQ Team erreichen könnt?
Adresse
Betty BBQ Meeting Point
Franziskanerstraße 11
79098 Freiburg

Autor/in:
Melina Lange
Datum: 03.04.2020, aktualisiert Februar 2021
Webseite: www.online2local.com
Telefon: 07634/ 409 25 61